Rabenbergpokal 2015

RB-Pokal2015_1

Wieso findet in Chemnitz, einem verschlafenen Kaff am Fuße des Erzgebirges, nach neunjähriger Abstinenz plötzlich wieder ein schwul- lesbisches Volleyballturnier statt? Und warum wird dort um den Rabenbergpokal gekämpft, benannt nach einem Hügel in jenem idyllischen Erzgebirge? Um Antworten darauf zu finden, muss man in der Historie der Queerschläger kramen.

Schon kurz nach Vereinsgründung 1997 fühlten wir uns stark und mutig genug, auf fremden Turnieren mit anderen Mannschaften unsere Kräfte zu messen. 1998 richteten wir unser erstes eigenes Turnier aus, welches sich in den darauffolgenden Jahren immer größerer Beliebtheit erfreute. Das Turnier zum zehnjährigen Vereinsjubiläum 2007 sollte ein Höhepunkt werden, geriet jedoch zum Fiasko. Ein freies Wochenende im Turnierkalender war rechtzeitig auserkoren worden, die Einladungen waren geschrieben und verschickt, erste Rückmeldungen kamen. Mitten in unsere Vorbereitungen platzte die Hiobsbotschaft, dass ein anderer Verein aus einer pulsierenden Metropole in nur 270 Kilometer Ferne just an denselben Wochenende ein Turnier plante. Unsere Gäste waren fort. Wer wird schon freiwillig nach Chemnitz fahren, wenn woanders der Bär steppt? Unser Turnier wurde abgeblasen, und seitdem herrschte hier turniermäßig Stille.

Wir zogen uns zurück auf einen einsamen Hügel mitten im finsteren Wald, den Rabenberg. Dort waren wir zuvor schon einige Male im Trainingslager gewesen, und hier wollten wir zukünftig unser Turnier austragen. Mannschaften aus Leipzig und Dresden gehörten fortan zu unseren treuen Gästen, der Rabenbergpokal wurde aus der Taufe gehoben.

Und dieses Jahr? Dieses Jahr hat es nicht geklappt. Das Management des Rabenberg Sportkomplexes konnte dieses Mal unsere Wünsche nicht allumfänglich erfüllen, die Durchführung eines Turniers war uns damit nicht möglich. Chemnitz hatte eine zweite Chance bekommen.

Zum Turnier waren sechs Mannschaften gemeldet, aus Jena, Leipzig und Halle sowie eine von der TU Chemnitz und zwei der Gastgeber. Kurzfristig und ungeplant kamen noch zwei weitere Teams hinzu, Flüchtlinge aus krisengeschüttelten Regionen wie Afghanistan, Syrien  und Pakistan. In der Vorrunde spielten in zwei Gruppen jeder gegen jeden. Die Spielniveaus der einzelnen Mannschaften überstrichen die gesamte Bandbreite von Anfänger bis Profi, und einige Partien hätten damit arg langweilig werden können. Waren sie aber nicht. Es dominierten der Fair-Play-Gedanke und das Streben nach Integration, obwohl es um nichts Geringeres als den Rabenbergpokal ging. So blieb auch bei den schwächeren Mannschaften der Spaß an der Veranstaltung ungebrochen. Die Finalrunde und das Finale selbst wurden dann mit etwas mehr Biss ausgetragen. In einem hochklassigen Endspiel verwiesen die Studenten der TU Chemnitz ihre Kontrahenten aus Leipzig auf den zweiten Rang. Den dritten Platz erkämpfte sich das Ligateam der Gastgeber. Umrahmt wurde das Turnier durch ein üppiges Buffet, welches nach der Siegerehrung nahtlos in eine Grillparty mündete.

Die Annäherung an die Fremden während des Turniers und auch danach beim Grillen war eher zaghaft. Unsere Kulturen sind wohl doch ziemlich weit voneinander entfernt. Trotzdem haben sich die Flüchtlinge willkommen gefühlt, der Wettkampf und das gesellige Beisammensein schienen ihnen eine erfreuliche Abwechslung gewesen zu sein. Und sicherlich würden sie auch ein zweites Mal kommen, sollte es in Chemnitz wieder ein solches Turnier geben.

Frank M.

3 Gedanken zu „Rabenbergpokal 2015“

  1. Eine Anmerkung, die mir allerdings nur mündlich zugetragen wurde, möchte ich an dieser Stelle kommentieren: „Beim Turnier waren doch auch Inder anwesend!“

    In der Tat.
    Es waren Studenten der TU Chemnitz, die quasi in der Stadt, ihrer Universität und in ihrer Volleyballmannschaft schon eine neue Heimat gefunden haben. Überflüssig also, mit dem Finger auf sie zu zeigen und ihre Herkunft zu erwähnen, stellt man doch damit die begonnene Integration infrage. Deshalb habe ich schlicht von „einer Mannschaft der TU Chemnitz“ geschrieben wohl wissend, dass die Inder dort dazu gehören.

    Eine zweite Anmerkung, ich sei ein Zyniker, lasse ich unkommentiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert